So subjektiv die folgenden Worte auch erscheinen mögen, es ist nichts anderes als ein Meinungsquerschnitt von etwa 15 Personen und somit schon wieder bittere, objektive Wahrheit
Das war mit Abstand die liebloseste und belangloseste Party, die ich seit langem erleben musste
Angesichts aller Aufmachungen hätte man das im Vorfeld natürlich ahnen können. Trotzdem nahm ich die Mitfahrgelegenheit bei einem Künstler wahr, um die Sache letztlich erwartungsfrei anzugehen. Dass nicht vorhandene Erwartungen noch unterboten werden können, sollte sich mir erst im Laufe der Nacht offenbaren....
Das fängt schon beim Namen an, dessen Umsetzung hier kräftig durcheinander geriet. Normalerweise sind es Rekruten, die eine Ausbildung erfahren, nicht die Ausbilder selbst. Hier wurden die Rollen kurzerhand getauscht und die Veranstalter begingen auf ihrer
Organisations-Sturmbahn ein um den anderen Fauxpas, die auf Partyschlachtfeldern unserer Zeit seit Jahren zur sicheren Niederlage führen.
Das war's aber auch schon mit dem ausbaufähigen Partymotto, denn besagtes Boot Camp wurde weder optisch noch sonst irgendwie aufgegriffen. Zwar handelt es sich anscheinend um ein ehemaliges Militärgelände, den damit in vielen Köpfen assoziierten Charme spürte man aber nirgends. Ein Pförtnerhaus, ein paar Wege, eine rechteckige Mehrzweckhalle und Wald drumherum. Punkt! Mit zwei Plastikpalmen auf dem "Innenhof" wären die Dekohighlights bereits abgehandelt. Darüber hinaus glänzte diese durch Abwesenheit, was vor allem auf den Floors für Stirnrunzeln sorgte. Industrieller Touch schön und gut, aber ETWAS Gestaltung muss doch drin sein, oder? Aber es wurde nicht gestaltet, weder Deko, noch Licht.
Im Corefloor war all das jedoch kein Problem, denn bevor die Augen überhaupt eine Runde drehen konnten, wurden bereits andere Sinnesorgane auf's Tiefste gequält: die Ohren! Als Veranstaltungstechniker würde ich vor Scham im Boden versinken, müsste ich einem Veranstalter diese Brüllwürfel als Anlage
verkaufen. Auf der Habenseite: Lautstärke. Sollseite: alles Andere! Als Hobby-Audiophysiker ist mir absolut schleierhaft, wie bei einer Schallwandlung derart viele Musikinformationen in der "Technik" verloren gehen können!? Die Bewertung des Gehörten bewegt sich irgendwo zwischen
Lärm und
Brei - ungeachtet der Musikrichtung. Derweil wäre die gedankliche Brücke zum Partymotto eine Kurze: im Corefloor hätte ein Boot Camp einfach mal den härtesten (akustischen) Drill liefern müssen. Nun, eine weitere Chance vertan...
Gerade noch unterversorgt, schoss man schon einen Floor weiter über's Ziel hinaus. Die Anlage im Mainfloor produzierte derartigen Schalldruck, dass das Dröhnen mit zunehmender Annäherung an eine Raumecke bereits schmerzhafte Züge annahm. Das dabei in Verbindung mit resonierenden Stahltüren entstehende Scheppern dürfte allenfalls bei db Drags Anhänger finden. Und das Schlimmste daran: die
Musik, sofern man das so nennen mag. "Qietsch-Peng-Doing" einfachster Sorte aus den üblichen Gerätschaften. Dort ist die Zeit in den vergangenen zehn Jahren wirklich stehengeblieben.
Apropos
Sand der Zeit: bin ich denn eventuell auch irgendwo hängen geblieben? Habe ich etwa in Sachen Partykostümierung wichtige must haves verpasst? Nicht, dass es für die Party letztlich entscheidend wäre, aber bei einem derartigen Schaulaufen bunter Gockel fällt es schwer, allzeit die Contenance zu bewahren. Noch nie zuvor war es so einfach, 95% des Partypublikums in zwei bis drei Schubladen zu stecken. Proletomanie...oder wie?

Erschreckenderweise mittlerweile bei IHR und IHM. Ob die Optik nun eine Randerscheinung des verbalen Notleidens ist (oder umgedreht), lässt sich frühestens bei einem weiteren Besuch in Anhalt erörtern.
Man definiert sich über Designerfetzen in Neonfarben, supercoole Freunde und all das, was gerade "krass" oder kindlichen Ursprunges ist. Da bleibt gar keine Zeit, sich ernsthaft mit der Musik auseinanderzusetzen, wofür der zumeist leere Corefloor ein trauriges Beispiel ist. Man steckt den Kopf hinein, hampelt ein wenig herum, gröhlt "
Speedcore, du Fotze", und verschwindet wieder klammheimlich, wenn kein Homie die vermeintlich coole Aktion gesichtet hat oder der Künstler tatsächlich besagten Stil einschlägt.
Derlei Konsorten hätten draußen natürlich eine prima Spielwiese, um nicht zu sagen "Bühne" vorgefunden, hätte die Organisation nicht den nächsten kapitalen Fehler begangen und an diesem super-sonnigen Tag den Outdoor-Floor bereits im Morgengrauen als ersten Floor abgebaut.
Und sonst? Die einzigen Glanzpunkte fanden sich in schmuckem Lächeln, das hier und da die Wegesseite wechselte. Drumherum blieb's enttäuschend...von zweifelhafter Sozialkompetenz des Sicherheitspersonals, über Müllproblematik, Getränkepreise, Ausschilderung usw.. Das Gute daran: mangels Anerkennenswertem bleibt der Review vergleichsweise kurz.
Ich habe hier lange nicht mehr so viel geschrieben, aber dieses Erlebnis hat mich echt schockiert. Und der Hauptgrund ist dabei noch nicht einmal genannt: Unverständnis. Warum? Weil der Großteil der Gäste mit dem Gebotenen sichtlich und hörbar zufrieden war. Das ist nichts anderes als ein Fausthieb in's Gesicht all derer, die mit anspruchsvoller Musik, Partykonzepten, Kulturpolitik, Detailliebe und Engagement den Fortbestand der Szene sichern und dabei AUCH HIERZULANDE auf immer heftigeren Widerstand stoßen - vor allem in Form mangelnden Respektes.
Das Bootcamp war eine Party ohne jegliches Flair. Minimaler Aufwand mit einem eben solchen Ergebnis - und das trotzdem erfolgreich. Ein toter Gaul, der nochmal geritten wurde. Vorbei an Anspruchslosen, die sich mit aufschwangen und dabei meinten "ich wollte schon immer mal Esel reiten". Vorangetrieben vom monotonen Quietschen des maroden Karrens, den man hinter sich durch den Dreck zieht. Darauf sitzend ein findiger Bursche, der dem Gauleselwollmilchdingens Arschhaare entfernt und als Zahnseide verkauft. Und all das unter dem Gequacker einer - nennen wir sie - Frau, die sonst kein Ziel hätte und der es schon ausreicht, dass der Esel Eier hat.
Alles höchst abstrakt, keine Frage, aber viele kennen bzw. erahnen bereits genau diese Reise...und auch ihren Endpunkt (für die Szene). Sowas darf nicht Schule machen! Es ist schon erschreckend genug, dass Ansprüche an Kultur derart sinken können und szenefremde Investoren ohne jeglichen "Spirit" diese mentalen Tiefgeschosse mit den Zahnis dieser Welt füllen anstatt ernsthafte Aufbauarbeit für den "Nachwuchs" zu leisten.
Von daher nochmal einen großen Dank an alle, die es angeht. Die, die regelmäßig kleine Fähnchen hochhalten und in Summe dafür sorgen, dass
WIR hoffentlich kein Boot Camp durchlaufen müssen.